Brief an die Aktionäre

Franz Richter
Chairman, Meyer Burger Technology AG
Gunter Erfurt
Chief Executive Officer, Meyer Burger Technology AG

Sehr geehrte Aktionärinnen,
sehr geehrte Aktionäre

Es ist genau drei Jahre her, dass wir bei Meyer Burger zum ersten Mal von einer Neu­aus­richtung des Geschäfts­modells gesprochen haben. Die Heterojunction-/SmartWire-Technologie, die unsere Ingenieure zwölf Jahre lang bis zur Industrie­reife entwickelt hatten, wollten wir nur noch exklusiv nutzen und selbst zum Hersteller von Solar­zellen und Solar­modulen werden.

Heute freuen wir uns sehr, dass wir Ihnen, unseren geschätzten Aktionärinnen und Aktionären, danken können. Dafür, dass Sie uns auf dieser spannenden Reise so treu unterstützen und uns in der entscheidenden Phase Ihr Vertrauen geschenkt haben. Dafür, dass Sie an die Zukunft von Meyer Burger glauben und mit uns gemeinsam die Energie­wende vorantreiben. Mit Stolz dürfen wir feststellen, dass die neue Meyer Burger Technology AG ihre Position auf dem Markt gefunden hat. Unsere Premium-Solarmodule sind bei unseren Kundinnen und Kunden stark gefragt und können zu Premium­preisen verkauft werden. Auf dieses Fundament baut unser weiteres Wachs­tum auf. 

Mit einer Produktions­menge von 321,1 Megawatt (MW) haben wir unser Ziel für das Jahr 2022 in Zeiten grosser Heraus­forder­ungen erreicht. Die globalen Liefer­ketten waren auch im vergangenen Jahr durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine gestört. Dennoch haben wir die Produktion von Solar­modulen gegenüber dem Vor­jahr mehr als verzehn­facht. Es wächst die Gewiss­heit, dass die Produktions­linien an unseren deutschen Stand­orten in der Lage sein werden, im Voll­betrieb die definierten Nominal­kapazitäten zu erreichen. 830’000 Solar­module verliessen 2022 die Fabrik in Freiberg, in Bitterfeld-Wolfen werden täglich rund 700’000 Solarzellen hergestellt – nach Abschluss des Hochlaufs sollen es weit über eine Million sein. 

Der Hoch­lauf der zweiten Produktions­linie hat im September 2022 begonnen; derzeit werden noch einzelne Prozess­schritte finalisiert. Dabei schaffte es unser erfahrenes Team, die Prozesse zu optimieren und die Hoch­laufge­schwindig­keit im Vergleich zur ersten Linie deutlich zu verkürzen. Allerdings sind wir weiterhin auf externe Zulieferer angewiesen. Für die ganze Industrie bleibt die Situation angespannt, insbesondere bei Lieferzeiten für elektronische Komponenten, die mehrere Monate statt wenige Wochen betragen. Das Management kümmert sich intensiv darum, solche Risiken auch in Zukunft möglichst zu minimieren.

Deshalb und um der stetig steigenden Forderung nach schnellerem Wachs­tum unserer Ferti­gungs­kapa­zitäten gerecht zu werden, haben wir die Ein­führung einer einheitlichen Produkt­plattform für unsere Solar­module beschlossen. So können wir Ferti­gungs­kapa­zitäten zukünftig schneller und risiko­ärmer aufbauen. Die geplanten Produkte kombinieren das Beste aus Glas-Glas- und Glas-Folie-Modulen, nämlich Lang­lebigkeit, Bifazialität, geringes Gewicht, nach­haltig hohe Leistung und an­sprechende Ästhetik in den Varianten Black, White und Glass. Damit legen wir die Basis dafür, langfristig Premium­preise für unsere Hoch­leistungs-Module erzielen zu können.

«Um der stetig stei­gen­den Forderung nach schnel­lerem Wachs­­tum unserer Ferti­­gungs­­kapazitäten ge­recht zu werden, haben wir die Ein­führ­ung einer ein­heit­lichen Pro­dukt­platt­form für unsere So­lar­­module be­schlossen. So kön­nen wir Ferti­­gungs­­kapa­zitäten zu­künftig schnel­ler und risiko­­ärmer aufbauen.»

Die neue Platt­form ermöglicht die Skalier­bar­keit neuer Ferti­gungs­kapa­zitäten und beschleunigt die Massen­produktion: Beispiels­weise entfallen Still­stand­zeiten durch Produkt­wechsel und auf­wändige Be­schaffungs- und Logistik­prozesse aufgrund der Produkt­viel­falt. So erschliessen wir weitere Potenziale bei der Senkung der Herstellungs­kosten. Die Kombination von Liefer­ketten­problemen und der Vorbereitung der Produktions­­linien für die neue Plattform resultiert in einer geringeren Produktions­menge als bisher angekündigt. Wie wir am 2. März 2023 bereits informiert haben, wollen wir im Jahr 2023 nunmehr Solar­module mit einer Gesamt­leistung von etwa 800 Megawatt herstellen.

Wir haben den Vorteil, am Standort Hohenstein-Ernstthal über eine ins Unter­nehmen integrierte Maschinen­fertigung zu verfügen. Das ermöglicht es uns, neue Linien rasch zu optimieren. Seit 2022 werden auch an unserem Haupt­sitz in Thun wieder Maschinen gefertigt, die in unserer Modul­produktion eingesetzt werden.

Für den weiteren Ausbau in Phase 2 stimmte die ausser­ordent­liche General­ver­ammlung am 28. Oktober 2022 einer Kapital­erhöhung zu. Der Brutto­erlös von CHF 250 Millionen ermöglicht der Firma den beschleunigten Aus­bau auf rund 3 Giga­watt Pro­duktions­kapazität pro Jahr bis 2024. Der Aus­bau der Solar­zellen­produktion soll am Standort Bitterfeld-Wolfen in Deutschland und der Ausbau der Solar­modul­produktion in Goodyear, USA, erfolgen. Mit dem US-amerikanischen Entwickler von erneuerbaren Energie­projekten D. E. Shaw Renewable Investments (DESRI) konnten wir einen lang­fristigen Liefer­vertrag unter­zeichnen. Demnach werden wir ab 2024 über einen Zeit­raum von rund fünf Jahren Solar­module mit einer Leistung von 3,75 bis 5 GW (Gigawatt) für Solar­kraft­werke liefern. Damit sollte es uns gelingen, bis 2024 neben dem Aufdach-Segment das Kraftwerk-Segment als zweites Stand­bein zu etablieren.

Ein ganz neues Thema beschäftigt uns seit dem vorigen Jahr. Seit der Fachmesse Intersolar in München Mitte Mai ist der Solar­dach­ziegel eines der wichtigsten Gesprächs­themen bei Meyer Burger. Unter dem Namen „Meyer Burger Tile“ haben wir das Produkt, für das wir von einem deutschen Ingenieurbüro die Rechte erworben hatten, weiter­entwickelt. Unsere Produkt­manager in Thun haben den Solar­dach­ziegel genau unter die Lupe genommen und in vielen Punkten so lange verbessert, bis das optimale Produkt entstanden ist. Unsere Entwicklung wurde von der renommierten Fach­zeit­schrift pv magazine als highlight topinnovation 2022 aus­ge­zeichnet. Ende 2022 konnte die erste Pilot­anlage mit Meyer Burger Tiles ans Netz gehen. Weitere Pilot­anlagen werden derzeit in der Schweiz und in Deutschland installiert, ein erster Vertriebs­partner aus dem Dach­decker-Gross­handel hat das Produkt in sein Sortiment aufgenommen. Ab Sommer 2023 werden die Meyer Burger Tiles von einem Unter­nehmen in Europa in unserem Auftrag industriell gefertigt und in grösseren Stück­zahlen zur Verfügung stehen. Das Interesse ist gewaltig. Im Herbst dieses Jahres ist die offizielle Markt­ein­führung des neuen Produkts geplant.

Fernziel Perowskit und Industri­a­lisierung von Modulen ohne Front­kontakte

Für die Ent­­wicklung der nächsten Generation von Hoch­­leistungs-Solar­zellen und -modulen haben wir Ende 2022 renommierte Partner ins Boot geholt und mehr­jährige Kooperations­­ver­­ein­­barungen abgeschlossen. Gemeinsam mit dem CSEM aus der Schweiz, dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), dem Fraunhofer-Institut für Solare Energie­­systeme ISE in Freiburg und dem Institut für Photo­voltaik der Universität Stuttgart arbeiten wir an der Industri­a­lisierung der Perowskit-Tandemtechnologie. Die Entwicklung der neuen Produktions­techno­logien sollen im geschützten Geschäfts­modell von Meyer Burger ausschliesslich für die eigene Ferti­gung eingesetzt werden. In den nächsten Jahren soll die Perowskit-Tandemtechnologie in der industriellen Fertigung von Solarzellen Wirkungs­grade von über 30 Prozent ermöglichen.

Bis es so weit ist, fokussieren sich unsere F&E-Teams in der Schweiz und in Deutschland bereits auf die Industria­lisierung der sogenannten IBC-Module. Diese basieren ebenfalls auf der Heterojunction-Technologie – IBC steht für Interdigitated Back Contact. Die Verdrahtung ist bei diesen Modulen auf der Rückseite der Zelle angebracht, was eine bessere Ausnutzung des Sonnen­lichts ermöglicht. In Kombination mit unserer SmartWire-Technologie ergeben sich wesentliche Vorteile in puncto Effizienz und Energie­ertrag. In um­fang­reichen Tests am CSEM konnten wir die Degradation der zukünftigen Solar­module analysieren und sind begeistert davon, dass diese in den bisherigen Versuchen kaum mehr messbar ist. Mit einer kürzlich errichteten Pilot­anlage am Standort Neuenburg tritt die Industria­lisierung in die nächste Phase.

Mit dem Fort­schreiten der Umsetzung des neuen Geschäfts­modells zeigen sich erfreuliche Ent­wicklungen in der Jahres­rechnung. Der Um­satz konnte im Jahr 2022 auf CHF 147.2 Millionen gesteigert werden, was gegenüber dem Vor­jahr einem Plus von 269 % entspricht. Hiermit hat Meyer Burger den Markt­eintritt erfolgreich gemeistert und den Grund­stein für das zukünftige Wachs­tum gelegt.

Der Hoch­lauf der Produktion war zum Jahres­ende noch in vollem Gange, was sich in den hohen operativen Kosten im Verhältnis zum Umsatz widerspiegelt. Gesamt­haft führten diese zu einem EBITDA 2022 von CHF –34.6 Millionen und einem Jahres­ergebnis von CHF –69.9 Millionen. 

In der Bilanz zeigen sich die Investitionen in die beiden neuen Produktions­standorte und der vor­an­schreitende Lager­auf­bau, der für eine effiziente Auftrags­abwicklung benötigt wird, mittlerweile sehr deutlich. Die Bilanz­summe stieg gegenüber dem Vor­jahr entsprechend markant um 46 % auf CHF 720.4 Millionen per 31. Dezember 2022. 

Auf der Passiv­seite der Bilanz führt die erfolgreiche Kapital­er­höhung um CHF 250 Millionen vom November 2022 zu einem deutlich gesteigerten Eigen­kapital. Die Eigen­kapital­quote beträgt nun  59.5 %. Meyer Burger ist mit dieser weiteren Kapital­mass­nahme in der Lage, die nächsten wichtigen Investitionen in das Wachs­tum und die Produkt­ent­wicklung zu tätigen.

«Für die Ent­­wicklung der näch­sten Gene­ration von Hoch­­­­leist­ungs-Solar­zellen und -modulen haben wir re­nom­mierte Partner ins Boot geholt und mehr­­­­jähr­ige Koope­rations-Ver­ein­barungen ab­­ge­­schlossen.»

Erste Verwaltungsrätin und neuer CFO

Die ordentliche General­ver­sammlung vom 5. Mai 2022 wählte Katrin Wehr-Seiter als unabhängiges Mitglied in den Verwaltungs­rat. Sie ist als Managing Director/Partner bei BIP Capital Partners, Luxemburg, aktiv. Zuvor wirkte sie als Principal bei der inter­nationalen Private-Equity-Gesellschaft Permira. Katrin Wehr-Seiter hat nach ihrem technischen Studium ihre berufliche Laufbahn bei der Siemens AG gestartet und war hier unter anderem im Bereich Energie­erzeugung in Deutschland und den USA tätig. Neben ihrem technischen Back­ground verfügt sie über grosse Erfahrung in den Bereichen M&A, Asset Management und Investitions­projekte sowie Unternehmens­entwicklung. Seit dem 1. September 2022 ist Markus Nikles neuer Chief Financial Officer (CFO) und Mitglied der Geschäfts­leitung. Markus Nikles war mehr als 20 Jahre in führenden Positionen im Finanz­bereich bei einem weltweit operierenden Schweizer Konzern tätig. Er ist bestens vertraut mit der finanziellen Führung von internationalen Industrie­gesell­schaften, mit Konzern- und Projekt-Controlling, Liquiditäts­planung und sowie dem Working Capital Management. 

Ausblick

Die Photo­voltaik spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der globalen Energie­wende. Es braucht riesige Investitionen, um die Wirtschaft im gesetzten Zeit­rahmen klima­neutral zu gestalten und um die not­wendige regionale Ver­sorgungs­sicher­heit zu erreichen.

Die USA reagierten schnell. Das 2022 in Kraft gesetzte US-Klima-Gesetz Inflation Reduction Act (IRA) wird Subventionen im Wert von rund USD 370 Milliarden für saubere Energie bereitstellen, was es für europäische Clean-Tech-Unternehmen attraktiv macht, über den Atlantik zu gehen.

Dieses Signal ist inzwischen in der EU gehört worden: Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, hat Anfang Februar 2023 den Green Deal Industrial Plan angekündigt, mit dem die EU und die EU-Mitglied­staaten hunderte von Milliarden Euro für den Aufbau von Schlüssel­industrien für den Klima­schutz fördern wollen – auch die Solar­industrie findet sich unter den sechs betroffenen Sektoren. Zu den Instru­menten zählt ein insgesamt gelockerter Beihilfe­rahmen, der den EU-Mitglied­staaten eine grössere Frei­heit zur Förderung von relevanten Unter­nehmen geben soll. Hierbei werden im Wesentlichen bereits vorhandene Mittel aus früheren Programmen umgewidmet. Die EU-Kommissions­präsidentin bezeichnet das als „Brücke“ und kündigte an, mittel­fristig weitere Mittel für einen EU-Souveränität-Fonds bereitzustellen. Im März 2023 finden die Ver­hand­lungen über Umfang und Aus­ge­staltung des Green Deal Industrial Plans statt, dann wird sich sagen lassen, ob dieser tatsächlich eine Antwort auf Augen­höhe mit dem IRA sein wird, welche die Solar­industrie beleben und wieder auf eine kritische Grösse in Europa führen kann. Sollten die Rahmen­bedingungen entsprechend gesetzt werden, ergibt sich für Meyer Burger weiteres Wachs­tums­potenzial.

So oder so ist Meyer Burger zuversichtlich. Denn auch auf individueller Ebene, bei Eigen­heim­besitzer­innen und -besitzern sowie beim Gewerbe, steigt die Nach­frage nach Solar­an­lagen fürs Dach beständig, machen diese doch weitgehend unabhängig vom teuren Strom aus der Leitung.

Dank

Das politische und gesell­schaftliche Umfeld hat den Neu­start von Meyer Burger vor drei Jahren stark begünstigt. Doch die be­­ein­­druck­ende Ent­wicklung des Unter­­nehmens war nur möglich, weil alle Beteiligten ihr Bestes gegeben haben und sich weder von Corona noch von verspäteten Komponenten-Lieferungen oder sonstigen Schwierig­keiten entmutigen liessen. Meyer Burger zählt heute rund 1.100 Mit­arbeitende und es werden täglich mehr. Das freut uns und stimmt uns zuversichtlich, dass wir weiterhin mit hohem Tempo werden wachsen können. Mit jedem Ziel, das wir erreichen, wachsen auch die Erwartungen. Wir tun alles, um diese zu erfüllen.

Franz Richter

Franz Richter
Verwaltungsratspräsident

Gunter Erfurt

Gunter Erfurt
Chief Executive Officer

Die erste Pilot­anlage mit Meyer Burger Tiles wurde Ende 2022 in der Schweiz installiert. Die Solar­dach­ziegel sollen im zweiten Halb­jahr 2023 auf den Markt kommen.

Neben der bereits bestehenden Solar­­zellen-Ferti­gung hat sich Meyer Burger ein weiteres Gebäude gesichert, um hier am Standort Thalheim auf 3 Gigawatt zu wachsen. Die Vor­bereitungs­arbeiten für die Installation von Pro­duktions­maschinen im Inneren des Gebäudes laufen bereits.

Der Aufbau der zweiten Linie in Freiberg ist fast vollständig geschafft. Hier laufen nun jeden Tag tausende Solar­module vom Band, die auf Solar-Bau­stellen in der ganzen Welt geliefert werden.

Seit 2022 werden in Thun wieder Maschinen gebaut, die an die Standorte Freiberg oder Goodyear geliefert werden. Auf ihnen werden Solar­­module mit der Smartwire-Ver­bindungs­­technologie hergestellt.